Evangelische Kirche und Politik heute
1934 markierte die „Barmer Theologische Erklärung“ einen Einschnitt im politischen Bewußtsein der evangelischen Christen in Deutschland.
Den 80. Jahrestag der Verabschiedung dieser Erklärung nahm der EAK Niederrhein zum Anlaß, auf seiner diesjährigen Bußtagsveranstaltung in Moers-Repelen zu fragen, wie es heute um die Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Nordrhein-Westfalen bestellt ist. Zentraler Ansprechpartner für diese Frage ist seit 2013 Kirchenrat Dr. Thomas Weckelmann, der zuständige Beauftragter der evangelischen Kirchen in Düsseldorf. Im Anschluß an den von Pfr. Thorsten Kämmer gehaltenen Dorfkirchen-Bußtags-Gottesdienst referierte Weckelmann auf Einladung des EAK über seine Arbeit.
Das Evangelische Büro in Düsseldorf existiert seit 1961. Nachdem schon drei Jahre zuvor das Katholische Büro eröffnet worden war, hatte Ministerpräsident Franz Meyers (CDU) darauf gedrängt, daß auch die evangelischen Kirchen in NRW eine solche Verbindungsstelle zu Parlament und Regierung einrichten sollten. Seither teilen sich die westfälische, rheinische und lippische Kirche die Finanzierung der Einrichtung. Nach Weckelmanns Worten verfügt sie über hervorragende Kontakte zu Regierungschefin, Ministern und Parlamentariern.
Als Repräsentant der evangelischen Kirchen kommt Weckelmann zum einen die Seelsorge an den politischen Entscheidungsträgern zu. Sie vollzieht sich in persönlichen Gesprächen ebenso wie in den Donnerstagsandachten während der Plenarwochen. Weckelmanns Amtsvorgänger Krebs hat dazu 2012 gemeinsam mit seinem katholischen Kollegen Vogt die Einrichtung eines „Raumes der Stille“ im Landtag erreichen können.
Zum anderen ist der Beauftragte der evangelischen Kirchen für die Pflege der Vertragspartnerschaft zwischen den Kirchen und dem Land zuständig. Denn ungeachtet der klaren institutionellen Trennung zwischen Kirchen und Staat gibt es durch das gesellschaftliche Engagement der Kirchen von Kindergärten und Schulen über Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Denkmalspflege bis zum Bestattungswesen zahlreiche Berührungspunkte in der praktischen Arbeit.
An diesen Aufgabenkomplex knüpft auch die Vertretung kirchlicher Standpunkte zu gesetzgeberischen Fragen an. Beispielhaft können hierfür das Körperschaftsstatusgesetz oder ein Antrag der damaligen Fraktion der Linkspartei auf Streichung des verfassungsrechtlich verankerten Erziehungszieles „Ehrfurcht vor Gott“ genannt werden.
Erfreut zeigte sich Weckelmann darüber, daß es gelungen sei, eine Vereinbarung zu schließen, nach der finanziell mittellosen Straftätern bei kleineren Delikten durch gemeinnützige Arbeiten im kirchlichen Bereich Ersatzfreiheitsstrafen – statt einer verhängten Geldstrafe – erspart bleiben können. Im Bereich der Kindertagesstätten und hinsichtlich des Denkmalschutzes für die immer zahlreicheren unter Schutz gestellten kirchlichen Gebäude bei gleichzeitig fehlender Finanzierung der notwendigen baulichen Maßnahmen durch das Land gebe es hingegen Grund zur Unzufriedenheit mit den geltenden Regelungen. Die theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten bilden ebenso wie die menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen weitere aktuelle Gesprächsgegenstände.
Für seine Tätigkeit spielt nach Weckelmann die ökumenische Zusammenarbeit eine große Rolle, etwa in Form von regelmäßigen Arbeitstreffen oder Doppelkopfbriefen. So sei das Verhältnis der beiden Büros untereinander von Partnerschaft geprägt. Dies habe kürzlich durch eine gemeinsame Einladung beider Kirchen zu einem Symposion zum Staatskirchenrecht einen werbewirksamen Ausdruck gefunden. 2015 ist dazu eine Veröffentlichung der Beiträge geplant.
Die lebhafte Diskussion im Anschluß an das weit ausholende Referat berührte weitere Themen– von den Medien über den Religionsunterricht bis zur Feiertagsregelung für den Reformationstag 2017. Fragen der Inklusion Behinderter im schulischen Bereich und das Verhalten der Kirchen zur Erhebung von Kirchensteuer auf Kapitalerträge erwiesen sich dabei als besonders fragenmotivierende Aspekte. – Insgesamt: ein anregender Abend!