Martin Luther und wir

Martin Luther und wir

Was bedeutet der Auftritt Luthers in Worms für uns heute?

Ziemlich genau 500 Jahre nach Luthers Auftritt auf dem Reichstag in Worms hat sich der EAK Niederrhein in einer Online-Veranstaltung mit dem damaligen Geschehen, dessen Auswirkungen und seinen heutigen Konsequenzen beschäftigt. In einem ebenso lockeren wie gehaltvollen Vortrag von Pfarrer Sebastian Appelfeller ging es zunächst historisch von den Beschwernissen der Reise über das Auftreten Luthers vor Kaiser, Fürsten und Vertretern der Städte zu der medialen Verbreitung und Wirkung seines Auftritts, weiter zu Luthers Aufenthalt auf der Wartburg und seiner Rückkehr nach Wittenberg. Dann kam Appelfeller, Vorsitzender des Verbandes der evangelischen Kirchen in Neuss, auf die Aufgaben zu sprechen, welche die Kirchen seit der Reformation übernommen haben. Allein im Bildungssektor reichen sie heute von den konfessionellen Kindergärten über Schulen, theologische Fakultäten und Hochschulen bis zu evangelischen Akademien. Es gibt Krankenhäuser und Einrichtungen der Altenpflege in konfessioneller Trägerschaft, daneben evangelische und katholische Friedhöfe und soziale Hilfsdienste vielfältiger Art.

Das alles kostet Geld – viel Geld. Die Entwicklung der Kirchensteuer hat sich jedoch von der allgemeinen Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft in Deutschland abgekoppelt. So stellt sich die Frage: Welche Themen sind aus kirchlicher Sicht von zentraler Bedeutung? Was ist uns wichtig? Wo kann der Beitrag der christlichen Kirchen zu unserer Gesellschaft wahrgenommen und von keiner anderen Organisation ersetzt werden?

Pfarrer Appelfeller wies hierzu auf die Gewissensbildung hin. Sie sei für jeden Menschen eine grundsätzliche Frage seiner Existenz. Von diesem zentralen Anliegen her habe die evangelische Kirche dem Bildungssektor traditionell besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Als ein auf das reformierte Bekenntnis ordinierter Pfarrer verweist Appelfeller insoweit gern auf Johannes Calvin, der bereits im 16. Jahrhundert neben Pastoren, Diakonen und Ältesten auch Lehrer in seiner Ordnung kirchlicher Ämter vorgesehen hatte.

In der lebhaft geführten Aussprache wurde vor allem der Konfirmandenunterricht als ein erlebtes Stück kirchlich vermittelter Bildung gerne und anekdotenreich erinnert. Von Konfirmandenfreizeiten, mehreren Unterrichtsterminen pro Woche, einem Schlittschuhlauf mit Einbruch ins Eis vor dem Unterricht, Auswendiglernen als Last und Gewinn und vielem anderen war die Rede. Es ging um Kirchenbesuch und Pfarrerschaft, Religionslehrer in den Gemeinden und Kirchenverwaltung. Ein Synodaler mahnte an, die heutige evangelische Kirche möge für die Vermittlung ihrer Botschaft die heute verfügbaren Medien ebenso konsequent nutzen wie Luther und seine Anhänger die zu seiner Zeit „modernen“. Aus Erinnerungen und Ausblicken, Vergewisserung hinsichtlich des Auftrags und der Möglichkeiten, ihm nachzukommen, ergab sich bei den virtuellen Diskutanden ein optimistisch stimmender Eindruck, zu dem vor allem Pfarrer Appelfeller mit seiner lebendigen Einsatzfreude erheblich beigetragen hat.